10.4.20
Soforthilfe Corona: BÜROMIETE: JA - LEBENSUNTERHALT: NEIN
Die Regierung von Unterfranken äußert sich in einem Schreiben vom 6.4. überrascht, dass so wenige Kulturschaffende einen Antrag auf Soforthilfe stellen und ermutigt diese dazu, Anträge zu stellen.
Der Grund für eine Zurückhaltung bei den Anträgen auf Soforthilfe liegt in der wirklichkeitsfremden Ausgestaltung der Förderrichtlinien. Denn „ein Ausfall von Einnahmen“ berechtigt nicht zur Unterstützung.
Hier der Versuch, an zwei Beispielen die typischen Situationen zu skizzieren, in denen sich Kulturschaffende befinden.
1. Veranstaltungstechniker*innen sind - sofern nicht irgendwo fest angestellt – Soloselbstständige. Sie brauchen kein Büro; Organisatorisches wird meist einfach in der eigenen Wohnung erledigt. Sie fahren mit dem eigenen Wagen zur Arbeit, arbeiten, stellen Rechnungen - fertig. Sie haben keine externen Verbindlichkeiten.
Jetzt haben sie schlagartig keine Einnahmen mehr.
Aber sie haben keinen Anrecht auf die Soforthilfe
2. Musiker*innen sind vielleicht irgendwo mit einem 450-Euro-Job angestellt, geben Musikunterricht, arbeiten im Café, im Krankenhaus – wo auch immer. Ansonsten leben sie als Selbständige vom Musikmachen - und das bedeutet heutzutage vor allem: Live spielen. CD-Produktionen kosten viel Geld und die Refinanzierung durch den CD-Verkauf ist in Streamingzeiten weitgehend überholt. Den Musiker*innen fehlen nun alle Einnahmen aus den Auftritten - manche haben ihren 450-Euro-Job noch, bei anderen bricht auch der weg.
Auch hier:
Die wenigstens Musiker*innen haben externe laufende Kosten. Sie besitzen Instrumente, ihre Ausrüstung - aber das alles steht in der Regel daheim, wo auch das „Büro“ ist.
Auch sie bekommen keine Soforthilfe.
Ähnliche Situationen finden sich in vielen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft: Bei Licht- und Tontechniker*innen, Schauspieler*innen, Bühnenbildner*innen, Fotograf*innen…
Besonders kompliziert wird es bei jenen, die mehrere Jobs haben.
Da fehlt einer Person jetzt z.B. 75 % ihrer Einnahmen. Das ist zu wenig zum Leben und zum Sterben zu viel. Fällt er/sie nicht aus den o.g. Gründen aus den Kriterien, die eine Soforthilfe erlauben, dann wird es spätestens jetzt schwierig: denn er/sie hat ja noch ein paar wenige Einnahmen.
Um das Ganze noch stärker zu verdeutlichen:
Diejenigen, die Fahrzeuge kaufen, statt sie zu leasen, Computer kaufen anstatt zu leasen, die eigenen Kosten klein halten und „Homeoffice“ machen, statt ein externes Büro zu mieten - die bekommen keine Soforthilfe.
Die anderen schon.
Weiter gedacht:
Auch für die Unternehmen, bei denen die Soforthilfe greift, ergibt sich das absurde Bild, dass laufende Betriebskosten teilweise gedeckt/gefördert werden können, die der Lebensführung aber nicht. Das bedeutet, dass eine Firma Soforthilfe bekommt, der Firmeninhaber aber gleichzeitig Arbeitslosengeld 2 beantragen muss. Das ist ein unsinniger Doppelaufwand - für den Unternehmer wie den Staat.
Die Tatsache, dass „ein Ausfall der Einnahmen“ keinen Anspruch auf Soforthilfe begründet, ist der Kernpunkt:
Viele Kulturschaffende haben schlagartig keine Einnahmen - aber eben auch keine externen Verbindlichkeiten.
Rücklagen sind in diesem Bereich - bei der mäßigen Bezahlung - kaum zu erwarten.
Sie haben kein Anrecht auf Soforthilfe.
Was, wenn nicht der Ausfall der Einnahmen, soll denn ein Grund für die Soforthilfe sein ?
Die Kulturschaffenden dachten tatsächlich bei Ankündigung der Soforthilfen ganz kurz, dass wir diesmal nicht vergessen würden.
Auf dem Papier stimmt das.
In der Realität nicht.
Daher der Aufruf, die Richtlinien an die Lebensrealität anzupassen - wie es in anderen Bundesländer teilweise bereits passiert (Baden Württemberg akzeptiert 1180,- monatlich als „Kosten des privaten Lebensunterhalts“).
Dann werden viele Kulturschaffende Anträge stellen, die jetzt noch zögern, weil sie fürchten, sich mit einem Antrag strafbar zu machen.